Abgabepflicht: Wer muss eine Steuererklärung machen?
Das Einkommensteuergesetz (EStG) unterscheidet zwischen Steuerpflichtigen, die verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben (Pflichtveranlagung), und solchen, die sich freiwillig veranlagen lassen (Antragsveranlagung). Wir erklären Dir, in welchen Fällen Du verpflichtet bist, eine Steuererklärung für das vorangegangene Steuerjahr abzugeben.
INHALT
-
Abgabepflicht bei Selbstständigen
-
Müssen Arbeitnehmer:innen eine Steuererklärung abgeben?
-
In diesen Fällen ist die Steuererklärung Pflicht
-
Rente und Pension: Wer muss eine Steuererklärung machen?
-
Ausnahme: Nebeneinkünfte bis 410 Euro
-
Abgabefristen
-
Verspätungszuschlag: Strafe vom Finanzamt
Abgabepflicht: Selbstständige müssen immer eine Steuererklärung machen
Selbstständige, also Freiberufler:innen und Gewerbetreibende, müssen grundsätzlich immer eine Einkommensteuererklärung abgeben. Sobald die Einkünfte den Grundfreibetrag übersteigen, wird wie bei allen Steuerpflichtigen der übersteigende Teil versteuert. Der Grundfreibetrag liegt 2023 bei 10.906 Euro und steigt 2024 auf 11.604 Euro.
Müssen Arbeitnehmer:innen eine Steuererklärung abgeben?
Dein:e Arbeitgeber:in führt jeden Monat einen Teil Deines Arbeitslohns als Lohnsteuer an das Finanzamt ab. Das nennt sich Lohnsteuerabzug und ist eine Vorauszahlung auf Deine jährliche Einkommensteuer, die Du auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zahlst. Wenn Du Deine Einkommensteuererklärung abgibst, wird die Lohnsteuer, die Du bereits vorausgezahlt hast, auf Deine endgültige Steuerschuld angerechnet. Spätestens bis Ende Februar erhältst Du von Deinem Arbeitgeber Deine Lohnsteuerbescheinigung für das vergangene Jahr. Darauf siehst Du auf einen Blick die Höhe Deines Arbeitslohns und wie viel Lohnsteuer und gegebenenfalls Kirchensteuer Du letztes Jahr gezahlt hast.
Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG müssen alle Steuerpflichtigen für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum eine Steuererklärung abgeben. Aber: Wenn Du Deine Einkünfte ganz oder teilweise aus nichtselbstständiger Arbeit beziehst und ein entsprechender Lohnsteuerabzug vorgenommen wurde, gilt eine Abgabepflicht nur unter bestimmten Voraussetzungen.
In diesen Fällen ist die Steuererklärung Pflicht
Die Fälle, in denen Arbeitnehmende eine Steuererklärung abgeben müssen, sind in § 46 EStG geregelt. Wenn mindestens einer der vorliegenden Punkte auf Dich zutrifft, vermutet das Finanzamt, dass Du zu wenig Steuern vorab gezahlt hast. Dann bist Du verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung einzureichen.
Hinweis
Wir möchten Dich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass das Finanzamt Dich jederzeit zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern kann, auch wenn keine der genannten Fälle auf Dich zutrifft. Das ist in § 149 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung geregelt.
1. Nebeneinkünfte
- Wenn Du im Kalenderjahr parallel von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehst - also ein Lohn nach Lohnsteuerklasse VI abgerechnet wird - musst Du eine Einkommensteuererklärung abgeben.
- Das gilt auch für einkommensteuerpflichtige Nebeneinkünfte ohne Lohnsteuerabzug von mehr als 410 Euro im Kalenderjahr, z.B. Renten, Honorare und Mieteinnahmen. Nebeneinkünfte können auch Kapitalerträge sein, auf die keine Abgeltungsteuer gezahlt wurde, z.B. Zinsen für ausländische Geldanlagen. Die Grenze von 410 Euro bezieht sich auf die positive Summe der Einkünfte, gegebenenfalls vermindert um den Altersentlastungsbetrag und Freibeträge für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
2. Entgeltersatzleistungen
Hast Du im Kalenderjahr mehr als 410 Euro an Lohnersatzleistungen erhalten? Diese sind zwar steuerfrei, unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt und somit der Pflichtveranlagung, da sie den Steuersatz auf Dein übriges Einkommen erhöhen können. Zu den Lohnersatzleistungen zählen unter anderem:
3. Lohnsteuerermäßigung/Freibeträge
Wenn Du beim Finanzamt Freibeträge beim Lohnsteuerabzug beantragt hast (z.B. für Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen) bist Du im Folgejahr zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Du zahlst nämlich im laufenden Jahr eine ermäßigte Lohnsteuer und das Finanzamt überprüft anschließend, ob diese Freibeträge Deinen tatsächlichen Aufwendungen entsprechen.
Es gilt allerdings keine Abgabepflicht, wenn Dein insgesamt erzielter Jahres-Arbeitslohn die folgenden Grenzen nicht übersteigt:
Jahr | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 |
---|---|---|---|---|
Einzelveranlagung | 12.250 Euro | 13.150 Euro | 12.174 Euro | 12.870 Euro |
Zusammenveranlagung | 23.350 Euro | 24.950 Euro | 23.118 Euro | 24.510 Euro |
4. Ehepaare & Eltern
- Eine Steuererklärung ist verpflichtend für Eheleute, die beide Arbeitslohn beziehen und von denen einer nach Steuerklasse V oder VI besteuert wurde. Auch bei Steuerklasse IV mit Faktorverfahren ist die Abgabe Pflicht.
- Wenn ein:e Ehepartner:in die Einzelveranlagung beantragt, sind laut BFH automatisch beide Partner:innen abgabepflichtig.
- Die Abgabepflicht gilt auch, wenn bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen ein:e Ehepartner:in berücksichtigt wird, der oder die im Ausland lebt und die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beantragt hat.
- Auch bei Verwitweten oder Geschiedenen, die im selben Jahr wieder heiraten, gilt eine Steuererklärungspflicht – ebenso, wenn Dein:e Ex-Partner:in im selben Jahr wieder heiratet.
- Unverheiratete, geschiedene oder dauernd getrenntlebende Eltern, die den Ausbildungsfreibetrag, den Behinderten-Pauschbetrag oder den Hinterbliebenen-Pauschbetrag für ihr Kind nicht im Verhältnis 50/50 aufteilen wollen, müssen eine Einkommensteuererklärung abgeben.
5. Sonstige Bezüge & Fünftelregelung
- Hast Du von Deiner Arbeitgeberin außerordentliche Einkünfte wie eine Abfindung erhalten oder eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit im Betrieb? Falls bei der Besteuerung die Fünftel-Regelung angewendet wird, musst Du im Folgejahr eine Steuererklärung abgeben.
- Wenn Du im Veranlagungszeitraum nach einem Arbeitgeberwechsel vom neuen Arbeitgeber sonstige Bezüge erhältst (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) und er bei der Lohnsteuerberechnung für diese Bezüge Deinen Arbeitslohn aus dem vorigen Arbeitsverhältnis nicht berücksichtigt, musst Du eine Steuererklärung abgeben. Das erkennst Du auch am Kennbuchstaben S auf Deiner Lohnsteuerbescheinigung. Falls Du die Pflichtveranlagung vermeiden möchtest, lege Deinem neuen Arbeitgeber einfach Deine Lohnsteuerbescheinigung von der vorigen Arbeitgeberin vor.
- Auch Zahlungen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft gehören zu den sonstigen Bezügen, die Dich zur Einkommensteuererklärung verpflichten.
Achtung: Corona-Prämien oder Inflationsprämien sind weder sonstige Bezüge noch außerordentliche Einkünfte. Sie sind steuerfrei und müssen auf der Lohnsteuerbescheinigung nicht aufgeführt werden!
6. Vorsorge
Seit dem Veranlagungszeitraum 2010 werden Deine Vorsorgeaufwendungen (Altersvorsorge, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) bereits beim monatlichen Lohnsteuerabzug durch die Vorsorgepauschale berücksichtigt. Dafür wird bei der Steuererklärung selbst die Pauschale nicht mehr angesetzt, sondern Deine tatsächlich geleisteten Versicherungsbeiträge berücksichtigt. Falls Deine Aufwendungen die Vorsorgepauschale übersteigen, kannst Du sie Dir durch eine Steuererklärung zurückholen.
Wenn allerdings die Vorsorgeaufwendungen, die Du tatsächlich steuerlich abziehen kannst, niedriger sind als die Vorsorgepauschale, gilt auch hier eine Veranlagungspflicht – sofern Dein Jahres-Arbeitslohn im Steuerjahr 2023 nicht über 12.174 Euro (Einzelveranlagung) oder 23.118 (Zusammenveranlagung) liegt.
7. Wohnsitz im Ausland
Wenn Dein Wohnsitz im Ausland ist, Du aber die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland beantragt hast, erwartet das Finanzamt Deine Steuererklärung.
8. Verlustvortrag und Verlustrücktrag
Hast Du dem Finanzamt einen steuerlichen Verlust gemeldet? Dann musst Du im Folgejahr eine Steuererklärung abgeben, bis Dein Verlust mit Deinen positiven Einkünften verrechnet ist.
Rente und Pension: Wer muss eine Steuererklärung machen?
-
Auch für Rentner:innen ist die Steuererklärung Pflicht, wenn ihre Einkünfte über dem Grundfreibetrag liegen. Eine Werbungskostenpauschale von 102 Euro wird automatisch von ihren Einkünften abgezogen. Es können natürlich weitere Aufwendung steuerlich geltend gemacht werden wie Krankheitskosten oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Rentner:innen müssen aber nicht ihre komplette Rente versteuern: Der steuerpflichtige Teil der Rente richtet sich nach dem Jahr, in dem sie in Rente gegangen sind.
-
Pensionsbezüge für Beamte und Beamtinnen im Ruhestand gelten als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und werden bereits bei der Auszahlung besteuert, abzüglich Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag. Eine Steuererklärung ist also dann Pflicht, wenn einer der oben genannten Fälle auf Dich zutrifft. Pensionäre, die Versorgungsbezüge aus mehreren Dienstverhältnissen beziehen, müssen ebenfalls eine Einkommensteuererklärung abgeben.
Ausnahme: Nebeneinkünfte bis 410 Euro bleiben steuerfrei
Für Arbeitnehmer:innen, Beamte und Pensionärinnen mit weiteren Einkünften, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, sind diese Einkünfte bis zu einer Freigrenze von 410 Euro im Kalenderjahr steuerfrei. Bis zu dieser Grenze müssen sie auch keine Steuererklärung abgeben, wenn keiner der anderen oben genannten Fälle auf sie zutrifft. Nebeneinkünfte zwischen 410 Euro und 820 Euro werden ermäßigt besteuert. Dann wird die Steuererklärung Pflicht. Diese ermäßigte Besteuerung nennt sich Härteausgleich und wird vom Finanzamt automatisch vorgenommen. Hast Du z.B. Mieteinkünfte von 600 Euro, zieht das Finanzamt die 600 Euro von 820 Euro ab. 220 Euro bleiben dann steuerfrei, die verbleibenden 380 Euro musst Du versteuern.
Hinweis: Bei Zusammenveranlagung von Ehepartner:innen werden die Nebeneinkünfte addiert, doch die Freigrenze von 410 Euro wird nicht verdoppelt!
Abgabefrist: Bis wann muss die Steuererklärung abgegeben werden?
Für Abgabepflichtige gilt eine Abgabefrist: Sie müssen ihre Einkommensteuererklärung bis zum 31. Juli des folgenden Jahres abgeben. Falls das Fristende auf einen Wochenend- oder Feiertag fällt, gilt immer der nächstfolgende Werktag als letztmöglicher Abgabetag.
Bei freiwilliger Abgabe gilt hingegen die sogenannte Festsetzungsfrist: Du kannst Deine Steuererklärung bis zum 31. Dezember 4 Jahre nach dem Steuerjahr abgeben.
Fristen
Die Abgabefristen für die Einkommensteuererklärung 2020 bis 2023 wurden durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz verlängert. Ab der Steuererklärung für 2024 endet die Frist wieder am 31. Juli.
- VZ 2023: Abgabe bis 02.09.2024
- VZ 2024: Abgabe bis 31.07.2025
Verspätungszuschlag: Wenn das Finanzamt eine Strafe festsetzt
Pflichtveranlagten drohen bei verspäteter Abgabe Strafen, die weh tun: ein sogenannter Verspätungszuschlag oder ein Zwangsgeld. Der Verspätungszuschlag beträgt 0,25 Prozent der zu zahlenden Einkommensteuer – mindestens aber 25 Euro pro Monat! Das Finanzamt kann im nächsten Schritt das sogenannte Zwangsgeld als Strafe nutzen. Bei der ersten Nichtabgabe einer Steuererklärung liegt das Zwangsgeld oft zwischen 100 und 500 Euro. Es kann bei hohem Einkommen aber auch deutlich höher ausfallen. Bis zu 25.000 Euro Zwangsgeld sind möglich.
Bist Du abgabepflichtig und reichst die Steuererklärung nicht ein, muss das Finanzamt eine Steuerschätzung vornehmen und die geschätzte Steuerschuld von Dir einfordern. Diese ist meist relativ hoch, da dem Finanzamt keine abziehbaren Aufwendungen von Dir vorliegen. Nach dem Schätzungsbescheid bleibt Dir nur ein Monat Zeit, um dagegen Einspruch einzulegen. Und Deine Steuererklärung musst Du trotzdem noch nachreichen.